"Meine Bilder sind die strahlenden Regenbögen, die durch die dunklen Wolken meines Lebens durchzuscheinen begonnen haben."

Vor zweiundzwanzig Jahren lebte ich ein sehr glückliches Leben, da ich einen Monat vor meiner Hochzeit stand. Schlagartig nahm mir jedoch ein tragischer Autounfall alles weg. Aufgrund einer Rückenmarkverletzung am Halswirbel C3 konnte ich mich vom Hals abwärts überhaupt nicht mehr bewegen. Mit einem Körper, der sich wie ein Holzklotz anfühlte, wurde ich für alle Menschen um mich herum für den Rest meines Lebens eine Last. Damals glaubte ich, dass mein Leben endgültig zu Ende sei.

Ich hing damals am äussersten Rand einer Klippe. Es gab keinen Weg mehr nach unten. Unter dieser Klippe war ein Fluss der Verzweiflung mit weit geöffnetem Mund, so als warte er darauf, mich zu verschlucken und tief in das dunkelste Elend hinunter zu reissen. Die Wirklichkeit traf mich durch das Umfeld und die Menschen um mich herum hart. Allmählich verlor ich die Kraft zum Weitermachen, bis ich schliesslich fiel.

Aber mein Leben war hier nicht zu Ende. Ich wurde in die Arme der Vereinigung der mund- und fussmalender Künstler in aller Welt, e.V (VDMFK) eingebettet. Ich begann mit einem Pinsel im Mund zu malen. Viele meiner Zähne waren beschädigt, und es gab Momente, in denen ich versucht war, das Malen aufzugeben; die Tatsache, dass ich in der Lage bin, mit meinem Mund meine eigene Welt zum Ausdruck zu bringen, bereitete mir jedoch Freude und gab mir die Kraft zum Weitermachen. Im Laufe der Zeit gelang es mir, mit Leidenschaft die Blume der Wiederauferstehung zu pflanzen und wachsen und blühen zu lassen. Schliesslich erlangte ich den Titel „von der VDMFK zertifizierte Mundmalerin“ anstelle der Bezeichnung „körperlich behindert – Querschnittslähmung Grad 1”.

"Jedes meiner Bilder hat mir das Gefühl gegeben, dass ich lebe."

Die Blumen der Dankbarkeit und Freude begannen der Reihe nach zu blühen, während ich auch in Schmerzen weiterhin Bilder malte. Bald erkannte ich, dass es ein grosser Segen ist zu leben. Ich lernte die Tatsache lebendig zu sein zu schätzen, da meine Kunstwerke mich kontinuierlich die Bedeutung meines Lebens entdecken liessen.

Meine Bilder sind die strahlenden Regenbögen, die durch die dunklen Wolken meines Lebens durchzuscheinen begonnen haben. Sie haben mir gezeigt, dass es in meinem Leben schöne Klänge, Düfte und Farben gibt. Sie haben mir klar gemacht, dass das Leben zu wertvoll ist, um aufgegeben zu werden, auch wenn ich mich nicht bewegen kann. Jedes meiner Bilder hat mir das Gefühl gegeben, dass ich lebe.

Schritt für Schritt begann ich, das Geheimnis und die Harmonie der Farben mit meinen Augen wahrzunehmen. Ich konnte meine eigene Welt der Kunst durch eine Reihe von Gemeinschaftsausstellungen und Malaktivitäten entfesseln.

Vor kurzem veranstaltete ich erfolgreich die „Third Mouth Paintings Exhibition Featuring Paintings of Mi-Soon Han” in der Insa Gallery; das Thema der Ausstellung war „Der Atem der Natur und des Lebens”. Ich entschied mich für ein Thema, das jedem vertraut ist und die Gefühle von jedermann anspricht. Ich möchte, dass meine Bilder in den kalten Herzen der Menschen ein Gefühl der Wärme erzeugen. Ich baue in meine Bilder vor allem die stille Schönheit der Natur und das einfache Leben ein. Ich wollte mich mit dem Gefühl des Friedens, der Bescheidenheit, der Wahrheit und der Reinheit vereinigen, das durch das Malen in sie hineinfliesst. Unter den Autorenbemerkungen habe ich in der Ausstellungsbroschüre das Folgende geschrieben: “Meine Malerei ist ein Leben, in dem die Hände durch den Mund ersetzt werden, in dem das Leben eine Form von Kunst ist, die durch das Malen erhaben wird. Obwohl ich bei einem tragischen Unfall eine schwere Rückenmarkverletzung erlitten habe, durch die ich meine Hände, Füsse und den ganzen Körper nicht mehr bewegen kann, sind die Bilder, die ich mit meinem Mund male, das Licht der Rettung in dieser dunklen Welt geworden. Ich bin in der Lage, Freiheit zu suchen. Ich bin dankbar und glücklich, dass ich durch die Bilder jederzeit die reine Schönheit der vier Jahreszeiten der Natur und den Klang des Atems des Lebens geniessen kann.

Ich liebe die natürlichen Kulissen, die wir Tag für Tag in unserer Umgebung und in unserem täglichen Leben erleben. Mein aufrichtiger Wunsch ist es, diese schönen, reinen, ruhigen und duftenden Gefühle auf meiner Leinwand zu verewigen; ich hoffe, dass ihre Bescheidenheit und ihr Frieden meine Stimme und die schöne Hymne unseres Lebens werden.“

Über die Künstlerin

Geboren am: 4. Februar 1955
Geburtsort: Buyou
Vollmitglied der VDMFK seit: 1995
Malart: Mundmalerin

 

Mi-Soon Han absolvierte Korrespondenzkurse und arbeitete mehrere Jahre in einem Büro, bis sie sich 1984 bei einem Verkehrsunfall verletzte, aus dessen Folge vom Nacken abwärts eine Lähmung resultierte.

Vier Jahre später begann sie mit der Mundmalerei. Wiederum ein Jahr später gewährte ihr die VDMFK ein Stipendium, durch welches sie weitere Fortschritte erzielen konnte. Bereits im Jahre 1992 wurde sie als Assoziiertes Mitglied in die Vereinigung aufgenommen. 1995 wurde ihr die Vollmitgliedschaft zuerkannt.

Die Werke von Mi-Soon Han spiegeln ihre Wünsche und ihren Wiederherstellungsprozess wider. Ihre Lieblingsmotive sind Landschaften und Blumen, die eine grosse Naturliebe versinnbildlichen. Ihre Bilder sind auch durch einen abstrakten, symbolischen Stil gekennzeichnet. Sie drücken Lebensweisheit und Glauben aus.

Im Verlauf ihrer mundmalerischen Tätigkeit kann Mi-Soon Han auf zahlreiche Ehrungen und Auszeichnungen zurückblicken. Des Weiteren veranstaltete sie mehrmals Einzelausstellungenund nahm des Öfteren an Gemeinschaftsausstellungen teil.

Mi-Soon Han ist auch literarisch tätig. Sie schreibt Essays, Gedichte, Romane und Kindergeschichten, die sie vollends mit dem Mund tippt.

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