"Malerei, meine schwebenden Flügel"
Als ich noch ein Jugendlicher war, erlitt ich unglücklicherweise bei einer Reparaturarbeit einen Stromschlag, in dessen Folge mir beide Arme vollständig amputiert wurden. Dieser Schicksalsschlag versetzte mich in tiefe Verzweiflung, so als ob man sich nun ewig in Dunkelheit befände und niemals wieder Hoffnung haben könnte. Bis ich eines Tages ein schiefes Zeichen zustande brachte, indem ich einen Stift mit dem Mund festhielt. Dies schien mir, als ob ein Licht für mich da wäre, das meinen Geist wieder erhellte. Ich war überzeugt, dass ich, solange ich einen Stift halten könnte, wiederum viele Tätigkeiten verrichten können würde. Seither setzte ich meine sämtlichen Hoffnungen und meinen Fleiss auf den Stift, so als ob eine brennende Fackel meine Seele aus der Dunkelheit hinein in einen glänzenden Tagesanbruch führen und mich aus kleinkrämerischem Leid in Richtung breiter Kunst fortbewegen könnte…
Ein Feuerstein, der eine Fackel zündet, vertreibt die Ängste in der Dunkelheit wie auch die verwirrende Verzweifelung und bedeutet eine Fahne der Hoffnung. Sobald ich einen Stift mit dem Mund oder Fuss festhalte und eine klare Spur male, leuchtet in diesem Moment mein Herz auf.
"Einen Strich zu malen bedeutet: Ein neues Leben zu meisseln."
Mich von dem Leid der Behinderung und vom Schock über den Verlust der Arme befreit zu haben, bedeutet, versteckte Lebensenergien freizusetzen. Die Zehen bekommen Blasen, die Beine entwickeln Krämpfe, das Zahnfleisch ist geschwollen, das Halsgenick ist steif, jedoch die Hoffnung gestärkt. Einen Strich zu malen bedeutet: Ein neues Leben zu meisseln. Einen Strich fest durchzuziehen bedeutet: Den Willen zu vermessen. Einen Strich zu färben bedeutet: Leidenschaft in Liebe umzuwandeln - denn intensives Bemühen führt zu aussergewöhnlichem Erfolg.
Wenn man eine intensive Enttäuschung im Leben hinnehmen muss, erst dann kann man das Leben schätzen lernen und nimmt zunehmende Anteilnahme dankbar entgegen; auch sehnt man sich mehr nach dem Glanz der Schönheit. Man möge die Pracht des Tagesanbruchs geniessen, für wahre Freundschaft dankbar sein, tanzende Blumen bewundern, den Liedern jedes Vogels zuhören.
Bunte Stifte erlauben es, in das wahre Gefühl voll einzutauchen, ein grossartiges Leben zu malen, die Freude an der Arbeit zu besingen, den Glanz der Liebe zu preisen. Bunte Stifte bescheren mir schwebende Flügel, kleine sorgfältig angefertigte Werke, ein Blatt Kärtchen fliegt mit mir über die ganze Welt, fliegt in deine Nähe.
Keine Finsternis, keine Last. Was ermuntert wurde, ist stürmische Leidenschaft. Was sich verflüchtigt hat, ist der Frühlingsglanz der Liebe. Was man gemeinsam genossen hat, sind Humanität, Freundschaft und Hoffnung.
Ich habe dich und mich im Lachen kennen gelernt. Beim Streben hat sich eine unvorstellbare Energie gebildet. In den Hoffnungen breiten sich bunte schwingende Flügel aus; in dem gleichen blauen Himmel fliegen wir, wir fliegen gemeinsam.
Über den Künstler
Geboren am: 30. November 1952
Geburtsort: Beijing
Vollmitglied der VDMFK seit: 2005
Malart: Mundmaler
Jingsheng Liu liebt seit jeher die Malerei. Im Jahre 1978 erlitt er während der Arbeit einen Stromschlag. Die Folge daraus war, dass ihm beide Arme amputiert werden mussten. Um ein neues Leben zu beginnen, wandte er sich mit Hingabe der Malerei zu. 1980 kehrte er wieder zu seinem ehemaligen Arbeitgeber zurück, der ihn als Bibliothekar in seiner Firma beschäftigte. Zudem begann er mit dem Mund zu malen.
Jingsheng Liu spezialisierte sich zuerst auf Kalligraphie. 1985 trat er zudem der Vereinigung für Kalligraphie und Malerei der Stadt Beijing bei. Mit der Zeit begann er mit dem Malen von zarten Aquarellen in der traditionellen chinesischen Malweise. 1988 erhielt er ein Stipendium der VDMFK. Zur gleichen Zeit begann er auch ein Studium an der Universität Changchun. 1992 wurde er Assoziiertes Mitglied der Vereinigung. Ab dem Jahre 1994 bildete er sich an der Malakademie weiter. Fünf Jahre später fing er mit dem Studium des Faches „Kalligraphie“ an der pädagogischen Hochschule von Shoudu an. Zur Zeit ist er Mitglied der Vereinigung für Kalligraphie und Malerei Chinas. Im Jahre 2005 wurde er Vollmitglied der VDMFK.
Jingsheng Liu beherrscht die chinesische Kalligraphie und jenen Stil der traditionellen chinesischen Malerei, der eine Pinselführung ohne Berücksichtigung von Details erlaubt. Seine Federführung ist schlicht, schön, gesetzt und zugleich kreativ. Er bevorzugt Motive aus der Tierwelt.
Für den chinesischen Kenner stellen seine Bilder Bildgleichnisse dar, die tiefe Lebensweisheiten in sich bergen. Mit seinen Arbeiten nahm er schon an Ausstellungen in Amerika, Japan, Österreich und Korea teil. Zudem veranstaltete er schon an mehreren Orten Chinas Einzelausstellungen.

